Titelthema 2019: Was kommt nach überraschenden Geschmacks-Paaren?

Artikel vom 17. Oktober 2019
Aromen und Essenzen

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Kennen Sie Food-Pairing? Oder anders ausgedrückt, schauen Sie erstaunt auf die Speisekarte des hippen und experimentierfreudigen Restaurants in Ihrer Nachbarschaft und entscheiden sich dann, mal etwas anderes zu wagen? Neugierig lassen Sie Schokolade mit wärmendem Chili auf der Zunge zergehen oder probieren Huhn im Rosenbett. Erstaunt registrieren Sie, wie gut das Fleisch mit den floralen, fruchtigen Aromen harmoniert. Oder Sie fragen sich verwundert, ob grünfruchtige Tomaten zu aromatisch-süßlicher Vanille passen. Fakt ist: Die auf den ersten Blick vollkommen gegensätzlichen Geschmäcker ergänzen einander perfekt und verstärken sogar das jeweils typische Aroma.

Wie wär’s mit Schokolade und Speck? Food-Pairing spielt mit überraschenden und gleichzeitig beliebten Geruchs- und Geschmackskombinationen. Bild: Symrise

Überraschende Lebensmittel-Paare, auch Food-Pairing genannt, gelten in der Gastronomie seit ein paar Jahren als DER Trend mit überraschenden und gleichzeitig beliebten Geruchs- und Geschmackskombinationen. Der Ansatz basiert auf der Annahme, dass je mehr Aromakomponenten zwei Produkte miteinander teilen, desto besser passt ihr Geschmack zusammen. Mit anderen Worten: Wenn zwei Zutaten ein und dieselbe Substanz enthalten, sind sie umso kompatibler. Es gilt daher, Gleiches mit Gleichem zu paaren. Der besondere Reiz des Food-Pairings entsteht dadurch, dass vollkommen unterschiedliche Inhaltsstoffe mitunter Molekülpassung besitzen, die zunächst befremdlich erscheinen, wie eben dunkle Schokolade mit Chili. Schmecken diese Kombinationen dann besonders gut, hat der Koch erfolgreich kombiniert. Wieso jedoch ziehen wir manche Geschmacksrichtungen anderen vor? Und was passiert eigentlich genau, wenn wir schmecken?

Dem Geschmack auf der Spur

Mit diesen Fragen beschäftigt sich Professor Dr. Thomas A. Vilgis vom Max-Planck-Institut für Polymerforschung und Professor für theoretische Physik an der Universität Mainz und gründete eine Arbeitsgruppe für »Soft Matter Food Physics«. Sie erforscht die physikalischen Aspekte des Essens inklusive der Zutaten und ihrer Zubereitung. Konkret analysiert er Lebensmittel und wie sich deren Geschmack entfaltet. Ihn und seine Mitarbeiter interessiert dabei besonders, wie sich die einzelnen Zutaten im Mund verhalten, denn sie geben ihren Geschmack auf ganz unterschiedliche Weise frei. Einige Stoffe erreichen die Rezeptoren als erste und werden primär erkannt, andere bleiben eher im Hintergrund. Ein Beispiel: Wenn wir Schokolade essen, spielt der Zucker und wie wir ihn wahrnehmen eine besondere Rolle und auch das Schmelzen der Kakaobutter im Mund. Bestimmte wasserlösliche Geschmacksstoffe und flüchtige Geruchsstoffe koppeln sich. Der Speichel legt duftgebende Moleküle frei und beeinflusst, wie wir die Schokoladentextur beim Wechsel von hart zu weich wahrnehmen.

Mit dieser Forschungsarbeit hat Professor Vilgis eine wissenschaftliche Grundlage für die Molekularküche geschaffen. Und noch mehr. Denn was man im Restaurant gegessen hat, möchte man gern auch zu Hause genießen. Deshalb hat Professor Vilgis seine Erkenntnisse im Buch »Aroma – Die Kunst des Würzens« (Vierich/Vilgis) anschaulich zusammengefasst. Damit lassen sich auch zu Hause auf den ersten Blick konträre Lebensmittelzutaten schmackhaft kombinieren.

Bild: Symrise

Das perfekte Geschmacks-Paar

Auf der Suche nach dem guten Geschmack und seinem Ursprung befindet sich Professor Vilgis in guter Gesellschaft. Die Symrise AG aus Holzminden forscht seit 1874 an schmackhaften Lebensmittelzutaten. Um ihre Expertise zu kombinieren und zu ergänzen, haben sich beide zu einem gemeinsamen Projekt zusammengeschlossen. Sie wollen ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse für den Verbraucher aufbereiten, sodass dieser auch zu Hause in den Genuss gelungener Geschmackskombinationen kommt. Deshalb forschen sie, wie sich die Kochkunst die wissenschaftlichen Erkenntnisse der Polymerforschung zunutze machen kann, denn das Zusammenspiel aus Physik und Kochkunst bildet die Grundlage für die angewandten Lebensmittelwissenschaften und damit die Produktentwicklung bei Symrise. Die Lebensmitteltechniker des globalen Konzerns untersuchen Rezepte aus aller Welt auf Harmonie und Kontrast und welche natürlichen Zutaten diese so schmackhaft machen. Besonders sorgfältig wählen sie ihre Zutaten aus, bereiten die einzelnen Zubereitungsschritte für die Mahlzeiten vor und verwenden die gleichen Arbeitsgeräte, wie sie Verbraucher in ihren Küchen Zu Hause nutzen.

Prof. Dr. Vilgis und Dr. Gerhard Krammer, Leiter der Aromen-Forschung und -Entwicklung bei Symrise, arbeiten Hand in Hand. Prof. Vilgis forscht an der molekularen Lebensmittelphysik und Dr. Krammer setzt die wissenschaftlichen Erkenntnisse für die Lebensmittelherstellung um. Oft wendet auch die Molekulargastronomie genau diese Forschungsergebnisse an. Besonders schmackhafte Kombinationen bietet Symrise seinen Kunden, also Herstellern von Getränken und Lebensmitteln, an, die diese in Lebensmitteln von Asien bis Südamerika einsetzen.

Bild: Symrise

Das nächste Kapitel

Die Wissenschaft des »guten Geschmacks« kann noch mehr und geht über die Instituts- und universitäre Forschung sowie ihren Einsatz in der Aromenindustrie hinaus. Bisher zählte vor allem, welche Kombinationen von Lebensmitteln und Zutaten aromatisch gut miteinander harmonieren. In ihrem gemeinsamen Projekt betrachten Professor Vilgis und Dr. Krammer zusätzlich, welche Zubereitungsverfahren die besten Geschmackskombinationen ergeben. Dabei berücksichtigen sie neben dem Geschmack auch, wie sich die physikalischen Eigenschaften bei unterschiedlichen Zubereitungsverfahren ändern. Es geht also zum Beispiel darum, ob frische, grüne Noten mit fruchtigen, saftigen Noten harmonieren und ob die Zutaten geröstet, gegrillt oder geräuchert werden. Dabei spielt eine große Rolle, dass wir Geschmack zum großen Teil riechen, also den Duft eines Gerichts wahrnehmen, denn guter Geschmack entsteht aus dem harmonischen Zusammenspiel aller Aromen. Beim Kochen kann man also, ähnlich wie bei einem Parfüm, Aromen gezielt kombinieren, um einen bestimmten Geschmack zu kreieren. Das Kombinieren von Aromastoffen kann somit einen großen Effekt im Geschmack erzeugen.

Prof. Vilgis unterscheidet bestimmte Aromagruppen, die jeweils charakteristische Aromastoffe enthalten. Die Symrise AG wendet dieses Wissen gezielt an, um die ideale Geschmacks-Kombination für ihre Produkte zu kreieren. So wissen die Anwendungsexperten von Symrise genau, welche Aromen den Geruchssinn besonders ansprechen, etwa besonders würzig schmecken. Ihnen ist bekannt, welche Geschmackskomponenten während des Kochvorgangs hitzebeständig bleiben oder sich bei Zugabe von Wärme verändern. Für den typischen Fleischgeschmack etwa braucht es die Maillard-Reaktion durch das Anbraten in Pfannen oder das Erwärmen im Ofen.

Bild: Symrise

Basierend auf diesem Wissen arbeitet das Unternehmen mit Rohstoffen, die komplementäre Inhaltsstoffe besonders gut hervorheben und ein gelungenes Geschmackserlebnis schaffen. Dabei berücksichtigt Symrise, wie sich aufgrund der molekularen Struktur die Geruchsaktivität und damit der Geschmack verändert.

Bester Genuss

Die kulinarische Zusammenarbeit von Prof. Vilgis mit der Symrise AG bringt somit Wissenschaft und Praxis für besten Genuss zusammen. Auf kunstfertige Weise fließen die wissenschaftlichen Erkenntnisse in Geschmackskombinationen, damit Verbraucher Suppen, Kaltgetränke oder Kaugummi besonders genießen können. Dabei nutzt das Unternehmen Zutaten und Zubereitungsarten analog der heimischen Küche. Am Hauptsitz in Holzminden gibt es Anlagen für Reaktionsaromen, die großen Schnellkochtöpfen gleichen und ein vergleichbares Geschmacksbild erzeugen. Darüber hinaus lässt sich die Konzentration des Produkts variieren und sie kann die Intensität des Geschmacks positiv beeinflussen. Um den vom Verbraucher bevorzugten Geschmack zu treffen, wird mit modernen Messmethoden gearbeitet. Die Aromenanalyse im Labor ergänzt das Unternehmen mit Sensorik-Panels. Die Mitglieder sind besonders geschult und können feine Unterschiede im Geschmack erkennen und beschreiben. Die Ergebnisse aus der kombinierten Analyse werden für die Entwicklung der geschmackgebenden Stoffe genutzt.

Besonders interessant ist das zum Beispiel angesichts der steigenden Nachfrage nach Alternativen zu tierischen Eiweißen, zum Beispiel Soja-, Erbsen- oder Haferproteine. Diese besitzen oft einen unangenehmen Nebengeschmack oder eine störende Textur bzw. Konsistenz. Symrise nutzt seine Erkenntnisse und entwickelt Geschmack für Produkte auf Basis von Pflanzenproteinen. Dank seines umfangreichen Anwendungswissens kann das Unternehmen Lösungen anbieten, die den Geschmack von pflanzlichem Eiweiß auf Konsumentenwünsche abstimmen. Die Reibung im Mund, die Brucheigenschaften beim Kauen, und die sich daraus ergebene Geschmacks- und Aromafreisetzung – diese Parameter hat das Unternehmen im Blick und ermöglicht damit ein angenehmes Mundgefühl sowie überzeugenden Geschmack für moderne, fleischlose Produkte. Erkenntnisse zu den Auswirkungen der Molekularstruktur auf Aroma und Geschmack fließen ebenfalls ein. Dank dieser Expertise bringt Symrise ebenfalls Geschmack in salzreduzierte Gerichte. »In erster Linie geht es uns um die Gesamtfunktionalität der Zutaten, um ein schmackhaftes Endprodukt herzustellen. Also Aroma mit ›Plus‹«, erklärt Dr. Krammer.

Food-Pairing 2.0

Das klassische Food-Pairing haben Symrise und Prof. Dr. Vilgis mit ihrer Arbeit um eine entscheidende Komponente bereichert. Sie beschäftigen sich mit der Kombination von ähnlichen Lebensmitteln und darüber hinaus mit dem generellen molekularen Zusammenspiel der Zutaten und ihren physikalischen Eigenschaften. Schärfe harmoniert mit Süße oder Herzhaftes mit Saftigem – gebraten, sautiert oder auch gekühlt. Genau wie ein Maler die Farben seiner Bilder geschickt kombiniert und sie mit einem farblichen Akzent am richtigen Ort abrundet, kreiert Symrise spannende Lösungen für die Lebensmittelindustrie mit Aromen-Kompositionen und den zwischen ihnen entstehenden Wechselwirkungen, angereichert um das Wissen über unsere Wahrnehmung von Geschmack im Mund. Wie wäre es mit einem dampfenden Kaffee garniert mit geeistem Liebstöckel, wenn die karamellartigen Currydüfte des Krauts sich bei starken Temperaturkontrasten an die Röstnoten des Kaffees schmiegen, oder einem Cappuccino-Parfait mit geröstetem Koriander, dessen florale Töne die schaumig verstärkten sahnigen Eindrücke kontrastieren?

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