Dichtungen für Normelemente: Gemeinsam neue Märkte erschließen

Artikel vom 11. Dezember 2020
Rohre, Schläuche, Leitungen

Strategiegetriebene Neuentwicklungen erfordern oft die Verbindung eigener und fremder Kompetenzen. Wie dies gelingen kann, zeigt die enge Zusammenarbeit des Normelementeherstellers Ganter und des Dichtungsspezialisten SKF Economos.

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Für die Normelemente im Hygienedesign entwickelten SKF Economos und Ganter gemeinsam die Dichtungen. Bild: Ganter

Für die Normelemente im Hygienedesign entwickelten SKF Economos und Ganter gemeinsam die Dichtungen. Bild: Ganter

Normelemente wie Griffe, Hebel, Knöpfe und Stellfüße gehören seit Jahrzehnten zum Angebot der Otto Ganter GmbH & Co. KG. Im Jahr 2015 entschloss sich das Unternehmen, sein Produktportfolio um Elemente zu erweitern, die sich auch und besonders für hygienekritische Bereiche eignen. Mit dieser strategischen Entscheidung, auf neue, dem Unternehmen bislang unbekannte Märkte zu gehen, stellten sich auch neue konstruktive Herausforderungen. Beginnend mit einem Stellfuß, der bislang für »normale« Industriemaschinen angeboten wurde, sollte erstmals eine Variante im Hygienedesign (»Hygienic Design«) entwickelt werden.

Die rechtlichen Grundlagen von Produkten im Hygienedesign sind in der EN 1672-2:2009 »Nahrungsmittelmaschinen« und anderen Normen genau definiert. Laut Maschinenrichtlinie 2006/42/EG müssen Maschinen so konstruiert sein, dass »Materialien vor jeder Benutzung leicht und vollständig gereinigt werden können und kein Risiko von Infektionen, Krankheiten oder Ansteckungen entsteht.« Für Normelemente im Hygienedesign kommen daher nur rostfreie Edelstähle sowie lebensmittelkonforme Dichtungsmaterialien infrage. Während alle Oberflächen reinigungsfähig sein müssen, dürfen durch Dichtungen und O-Ringnuten keine Spalte entstehen. Den Produktentwicklern war bewusst, dass die künftige Produktfamilie für einen erfolgreichen Markteintritt FDA-konform gestaltet und von der European Hygienic Engineering & Design Group (EHEDG) und 3-A Sanitary zertifiziert werden musste.

Anforderungen an Dichtungen

Der Normelementehersteller hatte früh eigene Vorstellungen über die dichtungstechnischen Anforderungen seiner künftigen Produktreihe entwickelt. Neben der FDA-Konformität sollten die verwendeten Dichtungswerkstoffe eine gute Langzeitformstabilität und eine hohe Beständigkeit gegenüber den verbreiteten Reinigungsmedien bieten. Außerdem sollten sie in Blau erhältlich sein, da Blau in Lebensmitteln und dessen Bestandteilen so gut wie nicht vorkommt. Gelangt eine Dichtung oder ein Teil davon in die Produktion, kann die Verunreinigung so leicht erkannt und beseitigt werden. Im Frühjahr des Jahres 2015 lernte der Normelementehersteller auf der Anuga foodtech mit der SKF Economos Deutschland GmbH einen Dichtungsspezialisten kennen, der nicht nur über die passenden Werkstoffe verfügte, sondern auch einen gemeinsamen Entwicklungsansatz (»Partnered Engineering«) basierend auf einem hochflexiblen Fertigungsverfahren anbot. Anfang 2016 startete das gemeinsame Projekt.

Damit Unternehmen gemeinsam erfolgreich neue Lösungen entwickeln können, müssen sich nicht nur Produkte oder Leistungen ergänzen – entscheidend ist, dass alle Partner ihre Aufgaben verstehen sowie miteinander eng und vertrauensvoll kommunizieren. Das war hier der Fall. So entstand Schritt für Schritt eine marktreife Lösung. Zunächst präsentierte Ganter seinem Entwicklungspartner einen Prototypen des neuen Stellfußes. SKF Economos glich die erforderlichen Anwendungsparameter mit seiner umfangreichen, selbstentwickelten Werkstoffbasis ab und beriet seinen Partner zu den EU-Regularien. Über die erforderliche Resistenz gegenüber den in der Praxis verwendeten CIP-Reinigungschemikalien und die gewünschten physikalischen Eigenschaften konnte so schnell Klarheit gewonnen werden.

Vom Werkstoff …

Das von Ganter gemeinsam mit einem FDA-konformen HNBR-Werkstoff (Hydrierter Nitrilkautschuk) gewählte thermoplastische Polyurethan-Elastomer »Ecopur-95A-bl FG« bzw. »H-Ecopur-95A-bl« ist nicht nur FDA-konform, sondern erfüllt auch die strengeren Anforderungen der EU-Richtlinie EC 1935/2004. Das blaue Material ist gegenüber Wasser und CIP-Lösungen bis circa 100 °C beständig und verfügt über eine hohe Langzeitformstabilität – Eigenschaften, die es zum passenden Bestandteil von Komponenten im Hygeinedesign machen. Beide Werkstoffe lassen sich an den CNC-Maschinen des Dichtungsherstellers spanend bearbeiten oder spritzgießen.

Um die Bandbreite seiner Fertigungsmöglichkeiten zu benennen, spricht SKF Economos von einem »machined to moulded«-Konzept, das sein selbst entwickeltes »Seal Jet«-Verfahren ermöglicht. Die charakteristischen Vorteile bestehen in der schnellen und kostengünstigen Verfügbarkeit von einsatzfähigen Prototypen und der verlustfreien Skalierbarkeit von Losgröße 1 bis hin zu beliebigen Seriendimensionen, was sehr gute Voraussetzungen für Zertifizierungsverfahren sind.

… zur hygienischen Dichtung

Dichtungen, die an den Anschraubbereichen der Normelemente eingesetzt werden, haben die Aufgabe, Toträume, Spalten und Ritzen vor dem Eindringen von Reinigungsflüssigkeiten, Produktresten oder Kleinstorganismen zuverlässig zu schützen. Hierfür müssen die Einbauräume und Dichtungsquerschnitte per FEM (Finite-Elemente-Methode) so berechnet und ausgelegt werden, dass bei der Montage die nötige Flächenpressung erreicht wird und gleichzeitig die Dichtungswerkstoffe nicht überbeansprucht werden.

Die Dichtringe zur Montagefläche und die Bodendichtung werden bei der Montage durch Festziehen entsprechend dicht gespannt. Dabei wird sichergestellt, dass alle mit den Dichtungen in Kontakt stehenden Flächen eine Oberflächengüte von weniger als Ra 0,8 µm aufweisen. Die Abstreifer an der Verstellhülse sowie die Abdichtung der Gelenkkugel sind so gestaltet, dass sie eine Anpassung in Höhe und Winkel zulassen. Auch bei ihnen gewährleistet der Einbauraum zusammen mit dem Dichtungsquerschnitt eine spaltfreie, vorgespannte Abdichtung.

Die gefundene dreiteilige Lösung verfügt über einen Dichtring aus NBR (Nitrilkautschuk, Härte 70 ±5 Shore A), über einen Abstreifer aus TPU (thermoplastisches Polyurethan, 95 ±5 Shore A) und über einen Gelenkdichtring aus HNBR (85 ±5 Shore A). Zusätzlich besitzt der Stellfuß eine Bodendichtung aus Silikon (85 ±5 Shore A). Bis auf diese wurden alle Dichtelemente während der gedrehten Bemusterungsphase Zehntel für Zehntel millimeterweise an den Stellfuß angepasst. Bei diesen iterativen Entwicklungsschritten konnten auch zuerst übersehene Axialspiele berücksichtigt und alle Varianten immer wieder von Ganter ausprobiert werden.

Dabei wurde auch der Vorschlag des Dichtungsspezialisten umgesetzt, die Abdichtungswirkung durch spitz geformte Dichtlippen nochmals zu erhöhen.

Bei der gemeinsam entwickelten Dichtung wird die Abdichtungswirkung durch spitz geformte Dichtlippen nochmals erhöht.Bild: SKF Economos

Bei der gemeinsam entwickelten Dichtung wird die Abdichtungswirkung durch spitz geformte Dichtlippen nochmals erhöht (Bild: SKF Economos).

Bei der abschließenden Grenzwertbemusterung wurden die für die gespritzte Serie erforderlichen Toleranzen simuliert, indem die Grenzen jeweils nach oben und unten zunächst überschritten wurden, um einen technisch realisierbaren Mittelwert zu erzielen.

Zertifizierte Lösung

Nach der Bemusterung aus dem Werkzeug konnte Ganter die gefundene Komplettlösung freigeben und einen Prototypen seines Stellfußes »GN 20« der EHEDG und 3-A Sanitary zur Prüfung und Zertifizierung vorlegen. Die anschließende Serienproduktion im Spritzgießverfahren verlief aufgrund der sorgfältigen Grenzwertbemusterungen problemlos und ohne Qualitätsverlust.

Zwei Jahre nach Projektbeginn sind alle Normelemente der Produktfamilie »Hygienic Design« von Ganter zertifiziert und entsprechend gekennzeichnet. Stellfüße, Griffe, Klemmhebel, Muttern und Schrauben des neu entwickelten Sortiments verfügen sämtlich über eine hohe Oberflächengüte, Totraumfreiheit, nichtschöpfende Außenflächen und bestmöglich gedichtete Anschraubbereiche. Für beschädigte oder im Zuge präventiver Wartung auszutauschender Dichtungen bietet das Unternehmen ein Ersatzteil an.

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