Strom und Dampf dezentral erzeugen
Mess- und Prüfgeräte, Sensoren
Die Milchwerke Berchtesgadener Land benötigen zur Verarbeitung der angelieferten Rohmilch viel Strom und Dampf. Eine eigene Gasturbine liefert Dampf, deckt 50 Prozent des Strombedarfs und hilft damit, Ressourcen sowie CO2 einzusparen. Bei der Messtechnik setzt man auf die über 25-jährige Partnerschaft mit Endress+Hauser.
»Zur Sterilisierung der 148 Lager-, Steril- oder Butterreifetanks wird über längere Zeit Dampf eingeblasen«, berichtet Florian Lexhaller, technischer Leiter der Milchwerke. Auch für die Prozesstechnik wird kontinuierlich eine große Menge an Dampf verwendet – im Durchschnitt liegt der Dampfverbrauch der Molkerei bei sieben bis acht Tonnen Dampf pro Stunde, in der Spitze sogar bis zu zehn Tonnen.
Weil die Produktion von Dampf sehr energieaufwendig ist und die bis dato eingesetzten Dampfkessel schon etwas in die Jahre gekommen waren, sahen die Verantwortlichen an dieser Stelle große Einsparpotenziale beim Energieeinsatz und beim CO2-Ausstoß.
Anstatt die elektrische Energie für die Anlagentechnik und für die Dampfproduktion aus dem öffentlichen Netz zu beziehen, sollte der Strom künftig selbst erzeugt und aus der Abwärme Dampf erzeugt werden. Der Vorteil dieser Lösung ist, dass die Energieerzeugung effizienter gestaltet werden kann. Weil sowohl Strom als auch Dampf in der Molkerei genutzt werden, steigt mit dieser Lösung die Versorgungssicherheit, und das Risiko für Anlagenstillstände wird reduziert.
Den Umbau stemmte die Molkerei zusammen mit einem Partner aus dem Anlagenbau im laufenden Anlagenbetrieb, die Gasturbine ging im Jahr 2016 ans Netz der Molkerei. Die Turbine mit 1,6 Megawatt von Kawasaki produziert ca. die Hälfte der in der Molkerei benötigten elektrischen Energie. Die Abwärme der Turbine wird in einen Abhitzekessel geleitet, der fünf Tonnen Dampf pro Stunde produziert. Ergänzt wird die Dampfproduktion mit zwei Spitzenlastkesseln von Bosch, die jeweils zehn Tonnen Dampf pro Stunde bei einem Druck von 10 bar erzeugen können.
Niedertemperaturwärme für weitere Effizienzsteigerung
Die Abwärme der Dampferzeugung wird genutzt, um ein Warmwassersystem mit 200.000 Litern Pufferspeicher aufzuheizen. Mit dieser sogenannten Niedertemperaturwärme werden in Zukunft alle Gebäude beheizt, sodass die Gebäudeheizungen rückgebaut werden können. Auch die CIP-Anlagen und der Milchwärmer der Molkerei für Quark werden durch das Niedertemperaturwärmesystem gespeist, ein Wärmenetz durch die gesamte Firma wurde bereits verbaut. Über diese Kaskade von Wärmetauschern wird das 530 Grad Celsius heiße Turbinenabgas auf 50 Grad Celsius abgekühlt, bevor es das Abzugsrohr verlässt.
Mit einer Spitzenkapazität von rechnerisch 25 Tonnen Dampf pro Stunde sind die Milchwerke in der Lage, mehr als doppelt so viel Dampf zu produzieren, als derzeit benötigt wird. Einerseits wollte man für steigende Kapazitäten in der Zukunft vorbereitet sein, andererseits steigt mit der realisierten Lösung vor allem auch die Versorgungssicherheit: Fällt einer der Dampfkessel oder gar die Gasturbine aus, wird die Anlage weiter mit Dampf versorgt, Strom kann dann wieder kurzfristig aus dem öffentlichen Netz bezogen und die Anlage weiter betrieben werden − denn für die Molkerei, die zu 100 Prozent mit Dampfwärme betrieben wird, ist die Dampfversorgung essenziell, ohne Dampf steht die Produktion still.
Auch wenn es zu Versorgungsengpässen im öffentlichen Stromnetz kommen sollte, reicht der produzierte Strom der Gasturbine, um zum Beispiel wichtige Kühlkreisläufe für die Kühlung der Milch sowie der Produkte am Laufen zu halten. So wird auch hier das Risiko von Produktionsausfällen verringert.
Günstige Voraussetzungen für die Molkerei
Für die Realisierung der Energiezentrale mit einer Gasturbine herrschten am Standort in Piding günstige Voraussetzungen. Nicht weit von den Milchwerken Berchtesgadener Land entfernt verläuft eine Gashochdruckleitung, durch die Erdgas mit einem Druck von 70 bar transportiert wird. Für die Turbine wird der Druck des Gases dann in einer Druckminderstation auf 16 bar reduziert.
Auch räumlich bot der Standort gute Voraussetzungen für den Bau der Energiezentrale. Weil die Halle ausreichend dimensioniert werden konnte, ist noch genügend Platz für eine Erweiterung des Gaskraftwerks vorhanden. Denkbar wäre die Installation einer zweiten Turbine, um einen weiteren Schritt in Richtung Energieautarkie zu gehen. Konkrete Pläne für eine Erweiterung gibt es derzeit allerdings nicht.
Messtechnik sorgt zusätzlich für Ausfallsicherheit
Damit sowohl die Prozessanlage zur Milchverarbeitung als auch Reinigungskreisläufe, die Energiezentrale oder die Energiedistribution in der Molkerei reibungslos betrieben werden können, weiß Florian Lexhaller um die Bedeutung der Auswahl der richtigen Messtechnik. Hierzu hat er sich tief in die Materie eingearbeitet – die Messgeräte, die in der Anlage verwendet werden, kennt er sehr genau. Regelmäßig werden neue Messgeräte in Testanwendungen geprüft, die Betriebsmittelvorschrift führt außerdem Standardtypen auf, was dazu führt, dass die Lagerhaltung an Ersatzgeräten und -teilen schlank gehalten werden kann. »Wenn wir eine neue Anlage bauen lassen, machen wir unseren Partnern im Anlagenbau genaue Vorgaben, wie die Messinstrumentierung aussehen soll«, berichtet Lexhaller. »Bei den Geräten von Endress+Hauser sind wir mit der Qualität und Zuverlässigkeit zufrieden. Vor allem in der Sicherheit haben sich die Geräte bewährt«, so Lexhaller weiter.
Beim Neubau der Energiezentrale kamen dann auch Messgerätetypen zum Einsatz, die in der Prozessanlage der Molkerei bisher noch nicht verbaut waren, zum Beispiel Vortex-Durchflussmessgeräte oder Dampfrechner. Auch hier vertraute Lexhaller auf die Beratung und Geräteauslegung des seit über 10 Jahren für die Firma verantwortlichen Außendienstmitarbeiters von Endress+Hauser. Sein knappes Fazit nach vier Jahren Betrieb der Energiezentrale formuliert er mit einem Augenzwinkern: »Das Zeug funktioniert einfach.«
Hoher Automatisierungsgrad in der Energiezentrale
Um die Ressourceneffizienz der Energieerzeugung zu optimieren, spielt die Automatisierungstechnik in der Anlage eine wichtige Rolle.
So kann das System schnell auf eine Veränderung der Betriebsverhältnisse reagieren und passt seine Leistung automatisch an. Durch die Vernetzung der Systeme werden Messwerte und Energiekennzahlen stetig ausgewertet und für das Energiemanagement verwendet. Ein wichtiger Baustein ist hierbei der Wärmemengenrechner mit Modbus TCP/IP-Anbindung. Lexhaller betont: »Endress+Hauser ist einer der wenigen Anbieter, der einen solchen Übertragungsweg anbietet. So können Energiewerte ohne großen Verkabelungsaufwand direkt zu einer zentralen SPS gesendet und ausgewertet werden.«
Die Energiezentrale ist ein wichtiger Baustein der Nachhaltigkeitsstrategie der Milchwerke Berchtesgadener Land. Damit das System so stabil und reibungslos läuft und ein Wirkungsgrad von mehr als 90 Prozent realisiert werden kann, müssen die einzelnen Komponenten gut aufeinander abgestimmt sein und ineinandergreifen. Für die Qualität der Molkereiprodukte und die Zuverlässigkeit der Anlagen spielt die Messtechnik von Endress+Hauser eine wichtige Rolle.