Technik für die 24/7-Algenproduktion

Artikel vom 30. November 2023
Mess- und Prüfgeräte, Sensoren

Nahe der kroatischen Hauptstadt Zagreb hat die Firma Phyox eine zukunftsweisende Produktionsanlage für Mikroalgen gebaut, mit der seit Ende 2021 in kommerziellem Maßstab Algen produziert werden. Als Partner mit Know-how im Bereich Messtechnik und Automatisierungslösungen lieferte Endress+Hauser neben der Prozessinstrumentierung auch die Automatisierungstechnik mit Remote-Zugriff für die Anlage und sorgt damit für eine reibungslose Produktion zu jeder Tages- und Nachtzeit.

Algenproduktionslinien: Zwischen den Plattenwänden der Photobioreaktoren befindet sich die LED-Beleuchtung. Jedes Modul hat eine Luft-/CO2-Zufuhr. Die unten angebrachten Messumformer sammeln Messwerte für pH, Leitfähigkeit und Trübung (Bild: Endress+Hauser).

Algenproduktionslinien: Zwischen den Plattenwänden der Photobioreaktoren befindet sich die LED-Beleuchtung. Jedes Modul hat eine Luft-/CO2-Zufuhr. Die unten angebrachten Messumformer sammeln Messwerte für pH, Leitfähigkeit und Trübung (Bild: Endress+Hauser).

Vor einigen Jahren noch befasste sich Bernd Hermann, Geschäftsführer und Vorstandsmitglied der von deutschen und kroatischen Investoren gegründeten Aktiengesellschaft Phyox, mit der Garnelenzucht – und damit verbunden mit der Produktion eines geeigneten Futtermittels. Als er sich mit Mikroalgen näher auseinandersetzte, erkannte er das riesige Potenzial dieser photoautotrophen Einzeller als Lebens-, Nahrungsergänzungs- und Futtermittel. Schon bei der Entwicklung der ersten Pilotanlagen konnte Endress+Hauser Kontakte zu führenden Köpfen bisheriger erfolgreicher Projekte wie dem Hamburger Algenhaus vermitteln und Know-how daraus einbringen.

Algen als potenzieller Superstoff

Da Mikroalgen eine deutlich größere Wachstumsrate als höhere Pflanzen vorweisen, eignen sie sich besonders für eine nachhaltige und ressourcenschonende Produktion von Biomasse und spezifischen Stoffen. Dazu zählen vegane Omega-3- und -6-Fettsäuren, natürliche Farb- und Mikronährstoffe sowie essenzielle Aminosäuren. So können Algen einen Proteinanteil von bis zu 50 Prozent aufweisen. Weitere aktuelle Forschungsgebiete sind die Nutzung von Algen zur Herstellung von Biokraftstoff oder für die Bindung von CO2, welches in industriellen Prozessen als Abfallprodukt entsteht.

Der Algenproduktionsprozess

Die spezielle Technologie der Firma Phyox setzt bei der Lichtquelle auf LED-Technik statt Sonnenlicht und kann damit das Wachstum der Algen besser steuern sowie durch Pulsung stimulieren. Dabei ist die Beleuchtung seitlich zwischen den Plattenwänden angebracht, die Frequenz der Pulsung wird an den jeweilig zu produzierenden Algenstamm angepasst. In den Platten-Photobioreaktoren schlängelt sich die Strömung im Auf und Ab mäanderförmig durch die Anlage.

Auslaufbehälter mit Eintaucharmaturen für pH-, Leitfähigkeits- und Trübungsmessung (Bild: Endress+Hauser).

Auslaufbehälter mit Eintaucharmaturen für pH-, Leitfähigkeits- und Trübungsmessung (Bild: Endress+Hauser).

Zum Schluss fließt die Algensuspension in einen offenen Auslaufbehälter und wird von dort im Kreislauf wieder zum Anfang der Anlage gepumpt.

Damit ist die Produktion rund um die Uhr für 365 Tage im Jahr möglich – unabhängig von den jahreszeitlichen Schwankungen und dem Tag-Nacht-Rhythmus, denen das Sonnenlicht als Energiequelle unterworfen ist. Zudem ist im Vergleich zu geschlossenen Röhrensystemen der Reinigungsaufwand deutlich geringer.

Die Anlage in Kroatien besteht aus elf unabhängigen Produktionslinien mit einer Kapazität von 20 bis 30 Tonnen Trockenbiomasse im Jahr. Als bevorzugte Algenart wird die Chlorella-Alge hergestellt. Neben der Beleuchtung muss die Dosierung von Phosphor, Nitrat, Spurenelementen und CO2 präzise geregelt werden. Da die Wasserqualität definiert und permanent überwacht wird, liefert der Prozess nach Ernte und Trocknung ein hochreines Endprodukt.

Die gesamte Anlage befindet sich in einer extra dafür gebauten Fabrikationshalle. Im Vergleich zur Produktion in Asien, die in offenen Becken im Freien erfolgt und vorhandenes Oberflächenwasser nutzt, kann Phyox durch die permanent konstanten und überwachten Produktionsbedingungen eine gleichbleibend hohe Produktqualität erzielen, die frei von schädlichen Umweltstoffen und Schwermetallen ist. Abnehmer aus der weiterverarbeitenden Kosmetik-, Lebens- und Futtermittelindustrie schätzen diese verlässlichen Produkteigenschaften.

Messtechnik und Automatisierung

Um den Wachstumsprozess sicher zu steuern, muss die CO2-Konzentration überwacht werden. Dies erfolgt indirekt über die Messung des pH-Werts mit dem pH-Sensor »CPS71E«.

Dank »Memosens«-Technologie kann dieselbe Instrumentierung in Labor und Produktion eingesetzt werden (Bild: Endress+Hauser).

Dank »Memosens«-Technologie kann dieselbe Instrumentierung in Labor und Produktion eingesetzt werden (Bild: Endress+Hauser).

Dank der digitalen »Memosens 2.0«-Technologie bietet dieser Sensor eine erweiterte Speicherung von Kalibrier- und Prozessdaten und damit die geeignete Basis für eine vorausschauende Wartung. Die Vorkalibrierung im Labor und der schnelle Sensortausch vor Ort erhöhen die Prozessbetriebszeit.

Die Zellkonzentration überwacht der Trübungssensor »Turbimax CUS52D«. Ferner wird als dritter Schlüsselparameter die Leitfähigkeit mittels »Memosens CLS82D« gemessen. Alle drei Sensoren sind über Eintaucharmaturen im Auslaufbecken installiert und mit dem Mehrkanal-Messumformer »Liquiline CM444« verbunden.

Der magnetisch-induktive Durchflusssensor »Promag 10D« überwacht die Fließgeschwindigkeit der im Kreislauf fließenden Algensuspension (Bild: Endress+Hauser).

Der magnetisch-induktive Durchflusssensor »Promag 10D« überwacht die Fließgeschwindigkeit der im Kreislauf fließenden Algensuspension (Bild: Endress+Hauser).

Die Fließgeschwindigkeit, mit der sich die Algensuspension durch die Anlage bewegt, erfasst der magnetisch-induktive Durchflusssensor »Promag 10D«.

Jeder Linie wird einmal täglich etwa ein Drittel des Gesamtvolumens zur Ernte entnommen und einem Separator zugeführt. Der Füllstand der Anlage wird über zwei Grenzstandschalter »Liquiphant FTL31« geregelt und entsprechend Frischwasser aus einer Osmoseanlage nachgeführt. Im Anschluss erfolgt die Düngerdosierung. Diese beiden Schritte laufen vollautomatisiert ab. Die Ventile zur Luftversorgung und zur Ernte der Anlage werden durch das Bedienpersonal gesteuert. Im Lieferumfang der Automatisierungstechnik war daher ein Schaltschrank enthalten, der das Bedienpanel, die Steuerungstechnik und ein DSL-Modem für den Remote-Zugriff beherbergt. So ist eine Rund-um-die-Uhr-Überwachung des Prozesses auch von einem anderen Ort aus möglich.

Zusammenfassung

Weil man mit der Produktionsleistung und der reibungslosen Funktion der Anlage für die Mikroalgenproduktion sehr zufrieden ist, werden aktuell Planungen zur Anlagenerweiterung durchgeführt. Ferner hat das Verfahren, welches Phyox zur Algenproduktion anwendet, auch Interessenten auf den Plan gerufen, die dieser Technologie große Chancen zur Bindung von CO2 als Abfallprodukt von Industrieprozessen einräumen. Auch laufen viele Versuche, die Energieeffizienz zu verbessern, beispielsweise durch den Einsatz von Fotovoltaik inklusive Stromspeicherung zur Deckung des Strombedarfs der Anlage. Ebenso wird der energieintensive Erntevorgang weiter optimiert.

Endress+Hauser hat sich seit den Tagen der Pilotversuche als verlässlicher Partner bewiesen. Neben dem großen messtechnischen Know-how war auch die Kompetenz des Unternehmens ausschlaggebend, das Engineering zur Steuerung der Anlage in das Projekt mit einzubringen und als global agierendes Unternehmen den gleich guten Support in Kroatien wie in Deutschland zu bieten, wo die Pilotanlagen aufgebaut wurden. Mit der neuen Anlage hat Phyox auf alle Fälle einen Weg eingeschlagen, um das Potenzial von Mikroalgen als Superstoff des 21. Jahrhunderts zu bergen.

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